„Eine Heizung für Jupiter“

Am 29. Januar 2022 eröffnete das Horst-Janssen-Museum Oldenburg auf zwei Etagen eine umfangreiche Schau mit dem Titel „Nanne Meyer: überAll. Von Punkthelligkeiten und Turbulenzmustern“. Zu sehen sind mehrere Hundert vor allem graphische Arbeiten der in Berlin lebenden Künstlerin Nanne Meyer aus den letzten drei Jahren, die das Universum zum Gegenstand haben.

Sternstunde, Nanne Meyer

Betritt man die Ausstellung, wird man gleich eingangs an der Wand mit zahlreichen Zitaten und Bonmots von Künstlern, Schriftstellern und Philosophen konfrontiert. Sie sind allerdings nur eine kleine Auswahl aus der Vielzahl kluger Sätze, kurz „Meyers ABC“ aus dem Katalog zu dieser Ausstellung „Meyers Handbuch über das Weltall“. Im Vorwort dieses Katalogs bedankt sich die Künstlerin beim Bibliographischen Institut dafür, dass sie den Titel des gleichnamigen Buches des Astrophysikers Sebastian von Hoerner für ihren Katalog verwenden durfte. Selbst der Schriftzug ist dem Buch von 1960 angepasst. Der Katalog, so die Künstlerin, sollte ein nach Begriffen geordnetes Handbuch sein.

Die älteste der hier ausgestellten Arbeiten ist eine kleine Bleistiftzeichnung mit dem Titel „Wolang?“ und datiert von 1979. Schon diese eine Arbeit macht deutlich, dass es nicht allein um Zeichnung, sondern immer auch um Erkenntnis und ästhetische Erfahrung geht.

Das Weltall – wir sind ein Teil davon. Das, sagt Nanne Meyer, macht uns demütig und bescheiden. Ausgehend vom Sehen, vom genauen Hingucken, sind Denken und Sprache die beiden Möglichkeiten, mit denen wir uns die Welt erschließen. Aktuelle Bilder hingegen, die wir zu sehen bekommen, sind lediglich Daten von Computern von Gegenden, die kein Mensch jemals gesehen hat. Ein Bild in dieser Ausstellung hat den Titel „Erinnerung an die Welt, aber falsch“. Als jemand während der Pressevorbesichtigung nach dem Zufall in ihren Arbeiten fragt, sagt Nanne Meyer: „Er ist besser als man selber.“

Freier Fall, Nanne Meyer, Acryl und Gouache auf Papier

Es gibt großformatige Arbeiten zu sehen wie das an frühneuzeitliche Höllensturz-Darstellungen erinnernde, aus vier Teilen bestehende „Freier Fall“. Oder „Versteckte Texte“ von 2021, eine Rollkarte im Format 2,25 x 1,97 m., auf der bei näherem Hinschauen sämtliche Buchstaben aus einem Text des griechischen Philosophen und Astrophysikers Anaximander sichtbar werden. Manche Bilder, wie beispielsweise diejenigen in cheap presentation an einer Schauwand festgepinnten Arbeiten, können für sich stehen und nehmen Bezug auf die sie umgebenden Bilder, sagt Nanne Meyer. Andere dagegen brauchen einen Rahmen, um existieren zu können. In mehreren Vitrinen dieser Ausstellung sind persönliche Jahrbücher, ehemalige Blindbände, zu sehen, die von der Künstlerin seit 1986 geführt werden. Es sind keine Skizzenbücher, sondern Bände mit Bildern, die ein Eigenleben führen. 

Das Universum von Nanne Meyer ist beeindruckend und phantastisch. Die mit Bleistift, Buntstiften, Kugelschreiber, Tinte, Wachs- und Ölkreide, Acryl, Gouache, Pastell und Dispersionsfarbe erstellten Arbeiten mit Titeln wie „Freier Fall“, „Klumpen und Globen“, „Quantenschaum“, „DNA der Milchstraße“, „Versteckte Texte“ oder „Other Worlds“ bilden in ihrer Mannigfaltigkeit und Vielschichtigkeit, in ihrer Anmut, ihrem epistemologischen Ansatz und mit ihrem ganz eigenen Humor einen eindrucksvollen zeichnerischen Kosmos, den es zu entdecken gilt. Dafür bietet diese Ausstellung eine wunderbare Gelegenheit.

Nanne Meyer, Klumpen und Globen, Ausstellungsansicht im Horst-Janssen-Museum, Foto: Eckhard Fürlus

Die Ausstellung „überAll“ von Nanne Meyer ist bei freiem Eintritt noch bis zum 15. Mai 2022 im Horst-Janssen-Museum Oldenburg zu sehen. Im Internet kann man ihre Homepage besuchen. Zur Ausstellung ist ein hervorragender Katalog mit vielen Abbildungen, Sentenzen und zwei Texten von Sibylle Anderl und Jutta Moster-Hoos erschienen. Er kostet im Museumsshop 23,- und im Buchhandel 28,- Euro.

Dr. Eckhard Fürlus, geboren in Jever, Friesland. Studium der Philosophie und der Theologie an der Freien Universität, der Technischen Universität und der Kirchlichen Hochschule in Berlin. Mitarbeiter der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz SMPK, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD, der Akademie der Künste und des Landesmuseums Berlinische Galerie. Von 1993 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlinischen Galerie. 2006 künstlerischer/wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kunsthochschule für Medien zur Assistenz von Prof. Siegfried Zielinski im Bereich Archäologie / Variantologie der Medien; seit 2007 Dozent an der Universität der Künste Berlin (UdK), Institut für zeitbasierte Medien.

TUXAMOON wurde 2009 von UnLtdWorld, England für den BRIC Award in der Kategorie “The Global Impact Award” nominiert.