Peter Brötzmann im Gespräch

Am 22. Juni 2023 starb in Wuppertal der Saxofonist Peter Brötzmann. Vor fast genau 20 Jahren, am 4. und 5. Juli 2003, fand in der Berliner Kulturbrauerei das Sergey Kuryokhin International Festival statt. Den Artikel dazu finden Sie hier im Archiv.

Im Anschluss an das Festival hatte die Redaktion des Tuxamoon Magazins Gelegenheit zu einem Gespräch mit Peter Brötzmann, das wir an dieser Stelle in Erinnerung rufen.

Sonntag vormittag, kurz nach 10 Uhr. Wir sitzen zwischen Zimmerpflanzen an einem der vielen kleinen Tische in der Lobby des Berlin Hilton am Gendarmenmarkt. In den frühen Morgenstunden endete der zweite Tag des Sergey Kuryokhin International Festival. Hier rieselt Konservenmusik aus Lautsprechern, Licht fällt von oben. Menschen kommen und gehen oder stehen in kleineren und größeren Gruppen zusammen.

Peter Brötzmann: Darf ich eine Morgenzigarre rauchen?

Eckhard Fürlus: Aber gern.

Peter Brötzmann: Gut.

Eckhard Fürlus: Menschen im Hotel.

Peter Brötzmann: Ach, man kann sich dran gewöhnen. Ist gar nicht so schlecht. Ich meine, hier auf die Dauer wird’s zu teuer werden.

Eckhard Fürlus: Ja.

Peter Brötzmann: Aber sonst habe ich das Hotelleben eigentlich ganz gern.

Eckhard Fürlus: Ja. Ist das ‘ne Helle?

Peter Brötzmann: Das ist von den Kanarischen Inseln eine, ‘ne ziemlich leichte, ja.

Eckhard Fürlus: Hm.

Peter Brötzmann: Gut zum Frühstück. Oder nach dem Frühstück. Und auch nicht zu teuer.

Eckhard Fürlus: Ich hatte 1993 ein Konzert von Ihnen im Quartett gehört im Rathaus Charlottenburg. Da war der inhaltliche Bezug zu Albert Ayler ‘Die Like A Dog’; daraus ist ja die CD entstanden. Beim Sergey Kuryokhin International Festival interessiert es mich natürlich, ob es da inhaltliche Bezüge gibt zu Kuryokhin, und ob das über die Musik hinaus geht.

Peter Brötzmann: Sicherlich gibt’s nicht so direkte Bezüge zu Kuryokhin wie zu Ayler. Erstens habe ich Ayler durch einen dummen Zufall persönlich noch kennen gelernt. Zweitens habe ich ihn sehr oft gehört in Europa bei Festivals und anderen Gelegenheiten. Und Kuryokhin ist mir eigentlich nur bekannt als eine außerordentliche Figur innerhalb der sowjetisch-russischen Scene, und man weiß auch eigentlich ehrlich gesagt viel zu wenig von ihm in unseren Breitengraden.

Eckhard Fürlus: Zur Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wüsste ich gerne – die Reihe ist ja sehr lang – mit wem Sie alles gespielt haben. Die wichtigsten Musiker der europäischen und amerikanischen internationalen Jazz Avantgarde gehören dazu. Mich interessiert unter anderem auch die Zusammenarbeit mit Ginger Baker, der für mich in den 60er Jahre der erste großartige Schlagzeuger war. Über Cream bin ich eigentlich auch erst zum Jazz gelangt, denn die Verbindung von da …

Und da war, als wir die erste Probenzeit hatten, den ersten Probenabend, guckte er erstmal ganz erschrocken. Was ist das denn für einer.
— Peter Brötzmann

Peter Brötzmann: Das ist ein ziemlicher Umweg, ja. Aber wie auch immer. Ja, Ginger, das war mehr oder weniger ein Zufall, weil – das war die Zeit, wo es Last Exit gab oder anfing zu existieren, und derselbe Mensch, der in den ersten Zeiten in Europa Last Exit managte, hatte zu der Zeit auch Kontakte zu Ginger. Und Bill, Bill Laswell, hatte sowieso Kontakte zu ihm. Und so kam diese Gruppe mit Nicky Skopolitis und Sonny Sharrock und anderen zustande mit Ginger. Und ich erinnere mich noch, wir haben uns in meiner Stadt in Wuppertal getroffen zum ersten Mal. Und er kannte zwar meinen Namen. Ich denke, ich kannte mehr von seiner Musik als er von meiner. Und da war, als wir die erste Probenzeit hatten, den ersten Probenabend, guckte er erstmal ganz erschrocken. Was ist das denn für einer. Und dann haben wir uns aber über der einen oder anderen Flasche Scotch doch ein bisschen näher kennen gelernt, und wir hatten dann, glaube ich, so eine Tour, drei Wochen durch West-Europa. Und zum Schluss funktionierte das ganz gut. Also wir haben uns eigentlich ganz gut vertragen, obwohl er nicht unbedingt einer der einfachsten Menschen ist, aber es ging gut, ohne Allüren, ohne Theater. Das war okay.

Peter Brötzmann

Eckhard Fürlus: Die Zusammenarbeit zwischen Künstlern, die man eher der Popmusik zurechnet, und Jazzmusikern muss damals, in den späten 60ern und in den 70er Jahren sehr viel einfacher möglich gewesen sein als heute. Ich habe den Eindruck, dass da durch dieses relativ starre Korsett solche Austauschmöglichkeiten gar nicht mehr vorhanden sind oder immer schwerer geworden sind.

Ich meine, Ende der 60er und Anfang der 70er – das ging auch eigentlich bis in die 80er rein – waren die Grenzen eigentlich nicht so eng, wie das heutzutage wieder ist oder davor auch war.
— Peter Brötzmann

Peter Brötzmann: Das ist wahr. Ich meine, Ende der 60er und Anfang der 70er – das ging auch eigentlich bis in die 80er rein – waren die Grenzen eigentlich nicht so eng, wie das heutzutage wieder ist oder davor auch war. Ich denke, im ganzen Bereich der Kunst, besonders in der Musik und auch im Theater, war man bereit zu allen möglichen Zusammenarbeiten. Also ich habe damals mit Tangerine Dream gespielt, ich habe mit anderen so genannten Avantgarde-Rockgruppen gespielt; wir hatten in unserer Stadt in Wuppertal ein ganz lebendiges Theater mit damals jungen Regisseuren wie Luc Bondy oder Zadek oder wer auch immer. Fassbinder kam vorbei. So gab es einen regen Austausch, der leider nicht allzu lange angehalten hat. Und jetzt ist die Tendenz eher rückläufig, und jeder bastelt wieder in seinem Genre vor sich hin.

Eckhard Fürlus: Sind Gründe dafür auszumachen? Kann man die benennen? Liegt es vielleicht daran, dass man so Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre nicht genau wusste, in welcher Richtung es weitergehen würde?

Peter Brötzmann: Ich denke schon, dass ich eigentlich immer wusste, wo ich oder in welche Richtung ich weitermachen oder gehen sollte, müsste. Nein, es war eine gewisse Offenheit, die sich auch in der ganzen politischen Situation niederschlug. Das sind immer ziemliche Wechselwirkungen. Die etwas graue Situation heutzutage hat sicherlich auch mit der sehr unbeweglichen, sehr starren und sehr auf’s Überleben und auf’s Geld fixierten gesellschaftlichen Situation zu tun. Damals spielte Geld eigentlich keine Rolle. Man hat’s einfach getan. Heute sind die Zwänge zu überleben weitaus stärker geworden, oder die Leute sind – die meisten – weiter stärker fixiert auf’s Geld, auf’s Kapital. Das tötet natürlich jede Art von Initiative.

Eckhard Fürlus: Es gab damals einen größeren Rückhalt von Seiten der Medien oder überhaupt eine Möglichkeit, in den Medien präsent zu sein, mehr als heute.

Peter Brötzmann: Das ist ohne Zweifel wahr. Also wir hatten Möglichkeiten selbst in Redaktionsstuben, wo man unsere Musik weder verstanden noch selbst hörte, aber die Leute haben damals noch ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag ernst genommen und uns tatsächlich Sendeplatz eingeräumt, uns tatsächlich Studiozeiten zur Verfügung gestellt, und das war gerade in den Anfangszeiten eine ganz wichtige Hilfe zum Überleben. Und ich bedauere eigentlich heute die jungen Musiker, die Generation jetzt zwischen 20, 30, 35, dass die diese Möglichkeiten absolut nicht mehr haben.

Eckhard Fürlus: Ich wüsste gerne, gibt es einen Unterschied im Publikum, in den Staaten des ehemaligen Ostblocks, in Russland zum Beispiel, in Polen, dann in Mitteleuropa und in den USA? Kann man da Unterschiede ausmachen? Wie ist es mit der Akzeptanz von Free Jazz?

Peter Brötzmann: Also ich muß sagen, ich arbeite seit mehr als 25 Jahren regelmäßig in den Staaten oder seit 30 Jahren, sowohl drüben als auch mit amerikanischen Musikern hier. Und ich muß sagen, dass gerade die jungen Leute in den Staaten zur Zeit eine Neugierde zeigen, die ich hier ganz fürchterlich vermisse. Also wenn ich hier in Konzerte gehe, sehe ich alte Männer mit grauen Bärten wie mich zum Beispiel in der Überzahl. Es gibt kaum Frauen im Publikum. Es gibt ganz wenig junge Leute. Die jungen Leute, die ich treffe, die durchaus aufgeschlossen auch sind, bloß die haben wenig Möglichkeiten und wenig Zugang zu den Geschichten, vor allen Dingen – gerade in den letzten Jahren sind ganz viele Möglichkeiten zu spielen weggefallen, weil es einfach kein Geld mehr gibt, weil die Städte einfach nicht mehr in der Lage sind, Clubs zu subventionieren. Es gibt keine Schulkonzerte mehr, so dass es für die jungen Leute ganz schwierig ist, Zugang zur Musik zu bekommen, überhaupt einfach zu wissen, dass es so etwas gibt. Und manche jungen Leute, die aus dem Rock-Bereich kommen, die uns durch Zufall mal irgendwo hören, sind ganz überrascht, was die alten Männer da noch auf die Beine stellen. Da kommen wir natürlich wieder auf die Medien zurück. Es gibt für unsere Musik – ich meine jetzt für unsere Musik im Bereich von Evan Parker bis Schlippenbach oder Brötzmann bis Misha Mengelberg -, es gibt kaum noch Platz in den Medien dafür, weil die Musik anscheinend immer noch ein bisschen die Leute ärgert und nicht in Ruhe lässt. Und die Redaktionen, die Leute, die heutzutage da sitzen, die trauen sich nicht mehr, überhaupt noch ein bisschen was zu wagen. Die Repressionen sind so stark, die Sendezeiten sind noch mehr geschrumpft als es früher üblich war, so dass wir uns andere Möglichkeiten erschließen müssen. Das Gute in den Staaten ist zum Beispiel: jede kleine Universität hat ihren eigenen Sender. Die meisten haben ihr eigenes Jazz Programm. Und Jazz heißt nicht nur: nette kleine Unterhaltung, sondern da wird alles mögliche Zeug gespielt in einem ganz weiten Spektrum. Die Leute sind neugierig, sind informiert, speziell die jungen Leute. Also ich kann das von New York und Chicago auf jeden Fall sagen, aber auch von kleineren Universitätsstädten; die sind ganz speziell daran interessiert, was ist eigentlich in den Jahren in Europa passiert, weil damals die Informationen nur bei Spezialisten rübergekommen sind. Und ein anderer Grund ist, weil sich die amerikanische Musik – ich weiß, ich generalisiere jetzt, und das sollte man nicht tun – aber es bewegt sich nicht sehr viel da, und die Impulse, die im Augenblick aus Europa kommen, sind schon auch für die amerikanische Musik schon ganz wichtig. Und auf Ostblock zurückzukommen – da ist das auch eine sehr unterschiedliche Sache. Die Polen waren immer und sind auch das bis heute noch sehr beeinflusst von dem normalmodischen Zeug, was rüber von den Staaten kommt. Also die Beziehung gerade zwischen Polen und Amerika, das sieht man auch an den politischen, sind ganz, ganz eng, und es beginnt langsam ein bisschen aufzuweichen. Also es fahren doch schon wieder mehr Gruppen aus – sagen wir – dem westlichen Europa wieder rüber; es ist immer ein Problem, weil – man braucht Hilfe von Goethe-Instituten oder dazu kommt zum Beispiel das Institut Francais, macht viel mehr und viel bessere Arbeit. Goethe-Institut – die beste Ausrede ist immer: wir haben kein Geld mehr. Aber ich denke, zum großen Teil ist es auch eine Ausrede, weil – erstens gibt es wenig kompetente Leute, die sich mit unserer Sache auskennen. Zweitens: wir führen immer noch, ob wir wollen oder nicht, eine Art Nischendasein. Das ist nicht so spektakulär, obwohl wir die Säle füllen, wenn wir denn mal dürfen, und weitaus mehr Publikum in ihren Sälen haben als bei irgendwelchen Streichquartetten. Das ist ganz offensichtlich. Bloß der Mut fehlt überall. Das ist einfach so.

Eckhard Fürlus: Sie haben gestern abend das Konzert allein bestritten. Sie arbeiten aber auch im Quartett, im Sextett und mit dem Chicago Tentet. Von welchen Faktoren hängt das ab? Wie wird eine Tournee geplant und wonach richtet sich das? Welches sind die Kriterien dafür?

Peter Brötzmann: Ich habe das Chicago Tentet inzwischen seit ungefähr sechs, sieben Jahren, und die Entstehungsgeschichte ist einfach so, dass ich viel in Chicago gewesen bin, eigentlich alle von den jüngeren Musikern getroffen habe, gespielt habe mit denen, und wir uns eines Tages gesagt haben: Okay, treffen wir uns, machen wir mal alle, die da sind – das waren anfangs acht, dann wurden’s zehn – machen wir einfach was. Das funktionierte insofern auch ganz gut, weil zur selben Zeit Ken Vandermark das großzügig bemessene McArthur-Stipendium bekam und einen Teil dieses Geldes eben in unsere Tentet-Tournee gesteckt hat. Arbeit mit einem Tentet ist einfach eine finanzielle Frage, ist die vorangige. Man muss reisen, man muss Hotels bezahlen, und ich möchte auch den Leuten, mit denen ich arbeite, auch ein halbwegs ordentliches Geld für die Arbeit bezahlen. Ich denke, Arbeit muß schon bezahlt werden, und das ist natürlich schwierig. Das geht nur im Zusammenhang hier in Europa mit irgendwelchen größeren Festivals. Wir haben jetzt schon ‘ne ganze Menge von denen abgegrast; ein paar kommen in diesem Jahr hinzu. Bloß dann sind wir auch durch, und dann ist wieder die Frage, ob man in den nächsten fünf oder zehn Jahren noch mal darf. Das ist die schwierige Situation. Und – gestern solo. Gut, ich mach’ das gerne, allein der Herausforderung wegen, fünfzig Minuten oder sechzig Minuten in der Lage zu sein, ein Publikum doch zu fesseln, sagen wir’s mal. Das ist schon eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Aber das muss nicht sehr oft passieren, weil ich auch der Überzeugung bin, dass gerade auch unsere Musik basiert auf der Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Personen und Persönlichkeiten. Das war immer das Hauptargument für Jazzmusik, improvisierte Musik, wie man das heute nennen will, weiß der Teufel. Aber das ist das ungemein Interessante an der Geschichte.

Eckhard Fürlus: Ergeben sich solche Kontakte in erster Linie auf Festivals oder erinnert man sich oder lernt man andererseits auch anderes neu kennen?

Peter Brötzmann: Der Zufall spielt immer ‘ne große Rolle, aber meine langfristigen Kollegen, die Holländer zum Beispiel wie Han Bennink oder Misha Mengelberg, das ergab sich einfach durch irgendwelche Treffen, und man sagte sich: Okay, laß uns was zusammen tun. Oder meine lange Freundschaft mit Toshinori Kondo. Der war auch mit der Hauptgrund, dass wir damals diese Alber Ayler Geschichte initiierten. Wir trafen uns in irgendeinem Café in Amsterdam und hockten Nacht zusammen und sagen: Okay, laß uns was tun. Zu der Zeit fing ich an mit Hamid Drake zu arbeiten, hatte lange Zeit schon zusammen mit William Parker gearbeitet. So haben wir gesagt: Okay, schmeißen wir das zusammen und probieren das. Und es hat auch gut funktioniert. Leider ist Kondo zu sehr beansprucht mit anderen Dingen in Japan, aber ich hoffe … -, wir machen im Augenblick im Trio mit verschiedenen Gästen ab und zu weiter, aber ich denke, dass Kondo irgendwann wieder dazu kommt.

Eckhard Fürlus: Wie geht es weiter mit FMP – Free Music Productions und Konzertmöglichkeiten, die parallel zum Jazzfest Berlin gelaufen sind?

Peter Brötzmann: FMP ist eine etwas delikate Situation im Augenblick, weil Jost Gebers, mein langjähriger Freund und Kollege, sich zurückgezogen hat, weil er erstens seinen normalen Job als Social worker – er ging einfach in Rente hier in der Stadt und hat sich dann auf’s Land verzogen in den Westen – und hat einen Teil der Arbeit einer Dame überlassen, mit der ich persönlich nicht zurecht komme und die auch aus meiner Sicht die Belange von FMP und zu FMP gehörenden Musikern nicht in dem Maße wahrnimmt, die ich eigentlich für richtig halten würde. So kann ich zur weiteren Entwicklung im Augenblick wenig sagen. Ich werde sicherlich nicht mehr für FMP produzieren. Ich hab mich konzentriert auf die Möglichkeiten, die ich in Chicago habe. Das ist erstens das Okka-Label, mit dem wir die meisten – unter anderem – die meisten Tentet-Produktionen gemacht haben. Oder das Atavistic-Label, was viele der alten FMP-Geschichten neu herausbringt, aber auch eigene neue Produktionen macht. Und ich habe mich nach 35 Jahren wieder entschlossen, ein eigenes Plattenlabel zu machen, was gerade angefangen hat zu existieren und wo grad die erste Produktion heraus ist mit einem Trommler im Duo, Walter Perkins ist sein Name. Ein älterer Herr; der ist, glaube ich, inzwischen 76, der früher, ganz früher in seiner Jugendzeit bei Sun Ra gespielt hat, und dann die ganze Swing und Bebop Klaviatur mitgemacht hat und der glücklicherweise im Augenblick – seit einigen langen Jahren schon – in New York lebend doch wieder Lust hat zu spielen. Und das ist ein Riesenvergnügen.

Eckhard Fürlus: Könnte man dieses Label auch schon im Internet finden?

Peter Brötzmann: Das mache ich in Zusammenarbeit mit einem Freund aus den Staaten, der ein kleines Label macht, Eremite heißt das, was sich hauptsächlich beschäftigt mit der New Yorker Scene um William Parker herum, Alan Silva. Ich hatte ja 66 angefangen mit einer eigenen Plattenproduktion. Da ist dann ‘Adolphe Sax’ entstanden, das Trio mit Peter Kowald, Sven-Ake Johannson; dann gab es ‘Machine Gun’ da in 68, und dann ging das auf in FMP. Und da FMP für mich nicht mehr in Frage kommt, habe ich mich entschlossen, einfach wieder Schallplatten zu produzieren. Erstens aus dem Grund, dass ich auch wieder was Vernünftiges in der Hand haben will – also ich war nie ein Freund von den CDs, kleinen Plastikscheiben, und jetzt ist grad die erste Produktion da, und das macht ein Riesenvergnügen, am Körper zu arbeiten und wirklich was Vernünftiges in der Hand zu haben – außer der Musik natürlich.

Eckhard Fürlus: Freut mich zu hören. Es gab immer einen starken Bezug zu den Engländern wie zu den Amerikanern auch. Viele Namen sind schon gefallen. Evan Parker, Derek Bailey, Lol Coxhill. Ist in der Richtung für die nächste Zeit etwas geplant?

Peter Brötzmann: Na Evan ist eigentlich der, den ich von den Engländern am meisten sehe. Gerade vor zwei Monaten gab’s das Festival in Victoriaville in Kanada nahe Montreal. Da haben wir mal wieder seit langem zusammen gespielt, das heißt: sein Trio, was zu der Zeit besteht aus Paul Lytton und Alex Schlippenbach, und mein Trio, also ‘mein’ in Anführungszeichen, mit Hamid Drake und William Parker. Das war eine ganz angenehme Zusammenarbeit. Derek, muß ich sagen, mit dem habe ich lange nichts gemacht. Ich glaub, das letzte war vor sieben oder acht Jahren in London. Aber er ist natürlich eigentlich immer noch und immer wieder die Gallionsfigur der englischen Improvisers, und ich würd mal wieder gerne, ja. Und dann – für mich waren die Holländer immer wichtig. Also gerade speziell Han Bennink natürlich, mit fast 15, 20 Jahren Zusammenarbeit. Wir haben in den letzten Zeiten öfter zusammen gespielt. Ich hoffe, dass das dann wieder weiter geht. Misha Mengelberg ist eine, denke ich, außerordentliche Persönlichkeit innerhalb der Musik. Und die Wege mit Willem Breuker, mit dem ich ja anfangs viel zu tun hatte, haben sich ein bisschen getrennt. Wir sind doch in sehr getrennte Richtungen marschiert. Aber die Connections gibt’s noch. Sonst die Engländer – es gibt eine jüngere Generations so um die 40jährigen, wie Max Sanders, der Trommler, oder Johnny Edwards, Bassspieler, und ein paar mehr. Es würde zu weit führen, die Namen aufzuzählen.

Eckhard Fürlus: Herr Brötzmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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Dr. Eckhard Fürlus, geboren in Jever, Friesland. Studium der Philosophie und der Theologie an der Freien Universität, der Technischen Universität und der Kirchlichen Hochschule in Berlin. Mitarbeiter der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz SMPK, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD, der Akademie der Künste und des Landesmuseums Berlinische Galerie. Von 1993 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlinischen Galerie. 2006 künstlerischer/wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kunsthochschule für Medien zur Assistenz von Prof. Siegfried Zielinski im Bereich Archäologie / Variantologie der Medien; seit 2007 Dozent an der Universität der Künste Berlin (UdK), Institut für zeitbasierte Medien.

TUXAMOON wurde 2009 von UnLtdWorld, England für den BRIC Award in der Kategorie “The Global Impact Award” nominiert.